Kesselbau - Treiben oder nicht

  • Hallo zusammen,


    da auch ich irgendwann mal einen Kessel löten möchte, werfe ich mal folgende Frage in den Raum: Warum soll man Kesselteile, z.B. Rückwand etc. treiben? Klar ist: Man hat beim Löten mehr Fläche, das hält grundsätzlich besser.
    Mir ist aufgefallen, dass vor allem die Kohlekesselbauer ihre Teile treiben. Ich mutmaße mal, dass die z.B. die Regnerkessel einfach nur eine Messingplatte stumpf eingelötet haben. Und bei meinem Riverdale-Kessel sieht es auch so aus :WN


    Ich habe verschiedene Videos gesehen und Berichte gehört die Zeigen, dass beim Hartlöten häufig eher das Material neben der Lötstelle reißt. (Wenn man versucht die Lötstelle aufzubrechen.) Wozu soll man sich also diesen Mehraufwand machen? Im Umkehrschluss vermute ich, dass ein getriebenes Teil nicht so exakt anliegt, wie ein gefrästes. Es wird womöglich mehr "Spalt" mit Lot gefüllt?


    Bin auf eure Erfahrungen und Meinungen gespannt!


    Viele Grüße
    Arne

  • Guten Abend Arne,


    diese Frage habe ich mir auch schon gestellt.
    Mein Kessel der BR80 ist aus Kupfer, Rohr 50mm Durchmasser 2mm stark.
    Ich habe alles stumpf gelötet und habe keinerlei Bedenken, dass bei den Belastungen, die im Modell Spur 1 auftreten (3-4bar) irgend etwas brechen könnte.


    Gruß


    günter

  • Hallo Arne


    Es sind mehrere Gründe


    1. Tradition. Früher waren die Lote noch nicht so gut entwickelt, die Festigkeit und auch die Benetzungsfähigkeit der Lote war nicht gleich gut (auch vom Flussmittel abhängig)


    2. Es ist eine Frage der Krafteinleitung bei der Ecke. Ein stumpf verlötetes Bauteil hat da eine Kerbe, wo die Lötnaht ist (und das bewirkt eine erhöhte mechanische Belastung des Lotes im Kerbgrund, was dann, wenns dumm kommt, zum Versagen führen kann) im Gegensatz zum getriebenen Teil, welches dann durchgehendes Material hat.


    3. können getriebene (oder auch gebördelte) Teile besser fixiert werden fürs Löten. ("anbinden" mit Kupferdraht)


    Die Genauigkeit vom getriebenen Teil steht und fällt mit der Genauigkeit der Form und der Geduld der Person die das Teil treibt.
    Es gibt da ein paar Tricks und Kniffe, die es ermöglichen, ein ziemlich genaues Teil herzustellen.



    Ich persönlich verwende meist Treibteile, da hab ich irgendwie ein besseres Gefühl dabei (trotz aller Experimente, Erfahrungen dass das Lot besser hält als Kupfer usw...)


    Gruss Florian

  • Moin Arne,
    das Lot hat inzwischen eine höhere Festigkeit als das Kupfer...weichgeglühtes(=hart gelötetes) Kupfer hat eine Zugfestigkeit von maximal 240 N/mm², Silberlot mit 650°C AT deutlich über 300 N/mm². Deshalb versagt das Material, nicht die Lötnaht, sofern diese richtig ausgeführt wurde.
    Man muss es so sehen: Wenn die Naht nicht ideal ist, dann hat man bei einem Bördelteil einige mm² mehr, die die Kraft aufnehmen können. Bei stumpf aufgelöteten Teilen gibt es in dem Fall größere Spannungsspitzen, die dann zum Versagen der Lötnaht führen können.
    Beispiel: In einen 10mm breiten Streifen Messingblech bohrt man ein 8er Loch und das selbe in einen 50mm breiten Streifen.Welcher wird wohl eher versagen, wenn man ihn belastet?
    Im Prinzip ist es halt noch eine kleine Versicherung...


    Das bisschen mehr, das man an durchaus teurem Silberlot braucht, macht mir nicht so viel aus. Ich würde behaupten, man kann durchaus so bördeln, dass man eine mittlere Spaltbreite von bis zu 5/100mm hat.


    Übrigens hängt auch die Genauigkeit eines Fräs/Dreh-teils ebenfalls vom Bediener der Maschine ab! Generell zu sagen, dass spanend bearbeitete Teile genauer sind halte ich für falsch. Auch hier hängt es von der Sorgfalt der Person ab.


    Im Übrigen finde ich getriebene Teile einfach schicker!Und "echte" Kessel hat keine scharfe Kanten, bis auf die Verbindung Rauchkammerrohrwand-Langkessel.Und hier auch nur, wenn der Kessel "bereits" geschweißt ist, sämtliche Nietkonstruktionen haben überlappende Enden. Die sonstigen Verbindungen, Stehkessel-Rückwand, sämtliche Feuerbüchsteile, Langkessel-Dampfdom, alle haben eingeschweißte Radienstücke oder ein Teil ist noch umgebördelt und mit dem anderen vernietet.
    Gruß Janosch


    wichtiges edit!: Flori machte mich grad drauf aufmerksam, dass das sehr falsch verstanden werden kann: Ich habe bei beiden Werkstoffkennwerten die Bruchgrenze genommen!! Für die Auslegung muss man natürlich die Dehnungsgrenze von ca. 40N/mm² für Kupfer nehmen.

    Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht immer noch schneller als der, der ohne Ziel herumirrt (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Hallo,


    danke euch allen für die Aussagen! Sie bestätigen das, was ich mir ohnehin gedacht hatte! Ich hoffe, dass das auch für den einen oder anderen (zukünftigen) Kesselbauer interessant ist! Im Endeffekt muss das ja jeder selber entscheiden. Aufgefallen war mir nur, dass hier im Forum quasi alle Gaskessel stumpf verlötet sind und nur die Kohlekessel gebördelte Wände haben.


    Vorschlag: Vielleicht kann man den Threadtitel noch in "Treiben/Bördeln oder stumpf verlöten von Kesseln" umbenennen? Asche auf mein Haupt, das hätte ich mir auch vorher überlegen können... :wink:


    Viele Grüße
    Arne