Frage zum Versatz der Exzenter bei Stephenson Steuerung

  • Hi liebe Dampfgemeinde,


    ich habe gesehen, dass wir hier viele Steuerungsexperten haben, die sich mit Funktion und Fertigung Solcher auskennen.
    Daher habe ich gehofft, dass ihr mir weiterhelfen könnt:
    in den letzten Tagen hab ich mich mit der Stephenson Steuerung beschäftigt und versucht sie zu verstehen, um evtl. selbst zu versuchen eine zu konstruieren.
    Allerdings haben sich mir bei all meinen Recherchen und lesen in Büchern zwei Fragen ergeben, die ich nicht klären konnte.
    Wenn der Kolben in Mittelstellung ist (oder die Treibstange), also genau zwischen beiden Totpunkten, steht die Gegenkurbel im 90° Winkel zur Kuppelstange bzw. auf Achsmitte?


    Die beiden Exzenterscheiben für Vorwärts und Rückwärts könnten sich theoretisch 180° gegenüber stehen. Nun habe ich aber oft Zeichnungen gesehen, wo das nicht ganz der Fall...also z.B. nur 160°. Ich würde vermuten, dass es etwas mit der Vor - oder Nacheilung zu tun hat...je nachdem wie herum die Exzenterscheiben stehen. Allerdings wäre das nur eine Idee, vielleicht können ihr ja Licht in die Dunkelheit der Fragen bringen.



    Tut mir leid das das Bild verdreht ist...richtig herum als zweiten Versuch habe ich es nicht hochgeladen bekommen...


    Schöne Grüße
    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Christoph,


    spontan würde ich sagen, um genau die von dir eingezeichneten Winkel der Steuerstangen auszugleichen. Wenn das so ist, dann müsste bei einer Stephensonsteuerung mit gekreuzten Stangen der Winkel größer 180 Grad sein. Wenn nicht bin ich auch auf die Meinung der anderen gespannt.


    Viele Grüße,
    Stefan


    Gesendet von meinem MK16i mit Tapatalk

    ich hier | home | :/ Wenn du einen Hammer hast, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.

  • Hallo,


    ich habe eine Stephenson-Steuerung für meine 5"-Shay nachgebaut und kann daher folgendes berichten.


    Zunächstmal muß die Gegenkurbel die Exzenter direkt in den Achsmittelpunkt stellen. Das ist bei einer Shay natürlich einfacher, da die Exzenter direkt auf der angetriebenen (Kurbel-)Welle sitzen.
    Die Excenter werden dann zunächst nach oben und unten um den halben Schieberhub versetzt (mit 180°) und so hat man schon mal die grundlegende Einstellung für Vorwärts und Rückwärtsfahrt.


    Nun kommt's zur Voreilung und dem Grund, warum du manchmal einen anderen Winkel findest. Jedes Exzenter wird nun um die Antriebswelle gedreht, und zwar um ca 19° weg vom Treibzapfen. Dadurch scheinen dann die Exzenter zueinander nur noch um die 140° zu haben. Die Gradangaben sind hierbei exemplarisch, da sie sich speziell auf die Shay-Motoren beziehen. Es kann durchaus sein, daß andere Dampfmaschienen hier abweichende Werte haben. In der Simulation zeigt es sich dann ganz gut, wie durch Einstellen der Voreilung der Anteil an Expansion und Compression ansteigt, sprich die Dampfzufuhr wird vorzeitig geschlossen, so daß die Expansionskraft des Dampfes ihre Arbeit verrichten kann, gleichzeitig wird der Auslass früher geschlossen, so daß der Kolben in der Endlage durch die Kompression abgebremst wird. Dies führt letztlich zu einem runderen und weicheren Lauf, Schonung des Materials und weniger Dampfverbrauch.


    Ich persönlich bin ein großer Freund der Stephenson-Steuerung, da sich hier jede Fahrtrichtung separat einstellen läßt.


    Soweit mal mein eher bescheidenes Wissen zu der Thematik. Ich lasse mich gerne korrigeren sollte ich irgendwo falsch liegen.


    Grüße, Gerd

  • Hallo,


    Christian: Du hast hier ein mich ebenfalls schon längere Zeit beschäftigendes Thema angesprochen.
    Ich baue gerade meine "Crampton" mit Flachschiebersteuerung vollkommen neu auf. Sie will ich auch mit der damals übliche Stephensonsteuerung ausrüsten.
    Von der Spiritus befeuerten Maschine verwende ich nur die Räder und die Radkästen. Die neue wird mit Rohrbrennerkessel gebaut.


    @Gerd: Deine Erklärung hat mir weiter geholfen. Nicht nur bei den Shay-Loks sitzen die Excenter direkt auf der Achse. Auch die "Cramptonloks" waren so ausgestattet. Nun überlege ich, ob ich sogar soweit gehe, die "Gabelumsteuerung" zu realisieren. Momentan denke ich aber eher nicht, da diese rel. viel Platz im Rahmen erfordern.


    VG Manfred B.

    VG Manfred B.

  • Moin Christioph,


    je länger die Kulisse/Schwinge ist, desto feiner kann man die Steuerung auslegen (sofern der Steuerbock das zuläßt).


    Ist die Steuerung voll ausgelegt, dann wird nahezu der gesamte Exzenterhub auf den Schieber übertragen. In der Mittelstellung sollte es idealer Weise nur noch soviel sein, daß die Einlassports nicht geöffnet werden. Die Länge hat also nur wenig direkte Auswirkung auf die Steuerung, aber auf die Regelbarkeit wenn man bewußt mit geringerer Füllung fahren will.


    Grüße, Gerd

  • Mahlzeit,


    vielen vielen Dank für eure Hilfe, das Buch habe ich bestellt und werde mir alles gründlich durchlesen, vielleicht kann ich es ja auch auf das Programm anwenden.
    Das mit der Länge klingt natürlich logisch, die Kulisse kann ja nicht unendlich lang sein und sollte aber Möglichkeiten zum Fahren mit Füllung geben...bräuchte ich auch, der Kessel ist nicht übermäßig groß und ich versuche immer sehr feinfühlig bzw. langsam zu fahren.
    Ich werde mich versuchen, bei der Länge der Kulisse, am Original zu orientieren...im Zusammenspiel mit den Rechnungen.
    Allerdings dient die Zeichnung, die ich von der Lok habe natürlich mehr zum Übertragen der Proportionen.
    An und für sich ist die Stephenson Steuerung einfacher als ich zu Anfangs dachte....bzw. nun für mich verständlich. Alles andere ergibt bzw. erliest sich dann aus dem Buch :BT
    Wenn's irgendwann an die Fertigung der ersten Teile geht, berichte ich natürlich darüber :wink:


    LG
    Christoph

  • Guten Morgen,


    mittlerweile habe ich mir "die Dampfbibel" durchgelesen und bin sehr begeistert, wie konnte ich ohne dieses Buch leben :GR
    Es ist wirklich sehr hilfreich, besonders in Bezug auf Stephenson-und Walschaert Steuerung.
    Doch eine Frage ist noch ungeklärt geblieben...in welche Richtung neigen sich die Exzenterscheiben,
    voreilend oder nacheilend?
    In meinem Fall geht es, typischer Weise um eine Lok mit Flachschieber-Steuerung und äußerer Einströmung.
    Nun wollte ich euch noch einmal um Rat bitten.
    Angefügt habe ich mal eine einfache Skizze um Missverständnissen vorzubeugen.



    Jeweils links ist der Kurbelzapfen im hinteren Totpunkt.
    Ich habe irgendwie schon beide Varianten gesehen und es mir nicht erklären können wann nun was angewandt wird.
    Bei einer Heusinger bzw. Walschaert Steuerung ist es mir klar, aber bei Stephenson?


    Würde mich freuen wenn ihr mir weiterhelfen könntet.


    Schöne Grüße
    Christoph

  • Moin Christoph,


    ausgehend von meiner Shay und den Konstruktionen von Kozo-Hiraoka wäre es die Variante 2.


    Die 1. Variante habe ich so noch nicht bewußt gesehen, was aber nichts zu heißen hat.
    Ich könnte mir vorstellen, das es was mit innerer bzw. äußerer Einströmung zu tun hat. Mal rein aus dem Bauch heraus, da ja dann der Schieber genau umgekehrt voreilen müßte, wenn der Dampf von innen einströmt. Es soll ja auch Flachschieber mit innerer Einströmung gegeben haben. Stephenson mit Kolbenschieber gepaart ist mir hingegen auch nicht geläufig. Aber es gibt bekannlich kaum etwas, das es nicht gab ;)


    Grüße, Gerd